Predigtgedanken im Friedensgottesdienst

Liebe Buben und Mädchen, meine lieben Schwestern und Brüder!

Nein, ich beginne die Predigt nicht bei Putin und seinem Angriff auf die Ukraine. Ich beginne meine Predigt bei uns, der Kirche. „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?“ Diese Frage aus der Bergpredigt bei Lukas stellt Jesus nicht an irgendwen, er stellt sie an seine Jüngerinnen und Jünger, er stellt sie an uns, er stellt sie an die Kirche.

Seine Frage lautet heute vielleicht so: „Warum, Kirche, siehst du den Splitter im Auge der Anderen, im Auge der Gesellschaft und der Welt, aber den Balken in deinem eigenen Auge, liebe Kirche, bemerkst du nicht?“ Oder auch diese Frage: „Warum glaubst du, Kirche, über Andere moralisch richten zu können, wo es doch so viel Unmoralisches in deinen eigenen Reihen gibt?“ Oder, gerade heute, auch die Frage: „Warum, Kirche, scheinst du zum Frieden aufrufen zu können, wo es in deiner eigenen Vergangenheit so viel Unfrieden gegeben hat und Unfrieden von dir ausgegangen ist?“ Fragen über Fragen.

In der Tat, wir spüren es: die Kirche ist keine Kirche der Heiligen, eher eine Kirche der Sünder, wie sie es ja auch von sich selbst in ihrer eigenen Tradition bekennt. Aber eben weil sie das ist, darf sie sich und soll sie sich mit allen Menschen vereinen, die sich ihrer eigenen Schwäche und Fehlerhaftigkeit bewusst sind und die darum wissen, dass sie der Erlösung bedürfen, mit all den Menschen, die Befreiung brauchen von Überheblichkeit, Ignoranz und Machtspielen und die bereit sind zu wirklicher Erneuerung.

Theo Brüggemann hat dazu einen Text geschrieben, den ich mit Euch teilen möchte. Er trägt die Überschrift „Blickschärfung“:

Gott, du warnst uns vor Leichtgläubigkeit,
vor blindem Glauben, blinder Liebe, blindem Gehorsam.
Nicht überall bist du, wo man deinen Namen gebraucht.
Nicht überall ist Liebe, wo man freundlich tut.
Nicht überall ist Gerechtigkeit, wo sie auf dem Papier steht.
Wie viel Blut ist schon geflossen – auch in deinem Namen!
Was haben Christen in deinem Namen getan
an Juden und Täufern, an Bauern und Arbeitern!
Was für fatale Paarungen in deinem Namen
von Thron und Altar, von Kapital und Kirche!
Talare und Kanzeln und Liturgien schützen uns nicht davor,
heute Opfer neuer Ideologien zu werden von rechts, von links.

Jesus, Bruder, der du allein die Wahrheit bist,
gib uns den Geist, der die Geister scheidet,
den Blick für das Echte und das Falsche,
das Menschliche und das Unmenschliche,
das oft zum Verwechseln ähnlich ist.

Steh du mit deiner Gnade denen bei,
die bei den Menschen in Ungnade fallen,
weil es ihnen um Menschen geht, nicht um Parolen.
Du erwartest Früchte von uns,
Früchte deiner Tat, die du für uns getan hast,
Früchte deiner Liebe, mit der du an uns leidest.

Hilf uns, dich neu und besser zu verstehen,
auch aus dem Reden und Tun derer,
die deinen Namen nicht mehr über die Lippen bringen,
weil wir ihn zu lange missbraucht haben.
Hilf uns aufhören, uns auf unsere guten Taten zu berufen,
wenn du neue und bessere Taten erwartest.
Du bist unser Richter, der du unser Retter bist,
aber auch der Retter der Andern.

Lass uns dir nicht mehr im Wege stehen,
wenn du auf dem Weg bist zu deiner Welt.
Gib uns das Wort und die Tat, die heute fällig ist.
Gib uns die Glaubwürdigkeit des Redens,
das durch unser Verhalten gedeckt ist.
Es geht um dich und deinen Namen,
weil es dir um uns und unsere Schwestern und Brüder geht.

Liebe Schwestern und Brüder, wir dürfen, ja, wir sollen also vom Frieden reden und auch von der Gerechtigkeit, aber wir sollten bei uns selbst damit anfangen. Daran werden wir gemessen. Wir dürfen und wir sollen diesen Krieg in der Ukraine als genau das benennen, was er nun einmal ist, nämlich ein Angriff, ein Angriff auf ein freies Land und aus seine Menschen, ein Angriff auf die Freiheit und Selbstbestimmung eines Volkes. Aber wir müssen eben auch die Freiheit und Selbstbestimmung der Gläubigen in der Kirche genauso achten und beschützen. Diese Aufrichtigkeit schulden wir der Welt – wie auch das Wort vom Frieden.

Und so teile ich am Ende meiner Predigtgedanken mit Euch ein Gedicht von Kurtmartin Magiera, das mir aus der Seele spricht. Es heißt: „Friede ist möglich.“

Auf ein Wort, ihr Christen:
Die Welt hat eine Frage.
Die Welt kann nicht warten.
Die Welt braucht eine Antwort.
Die Welt stirbt am Krieg!

Herr, gib uns den Mut zur Antwort.
Die Antwort heißt: FRIEDE!
Und Friede ist möglich.

Friede konkret:
Tun, was man kann

Den ersten Platz nicht begehren.
Die Drohung nicht aussprechen.
Den Freund nicht verraten.
Den Gegner nicht verhöhnen.
Den Eigennutz unterordnen.
Das Trennende ausräumen.
Die andere Meinung achten.
Den Schlag nicht zurückgeben.
Die Beleidigung zurücknehmen.
Den Krieg ächten.
Auf Ausgleich drängen.
Den ausgebrochenen Krieg beenden.
Nachteile in Kauf nehmen.
Unrecht verabscheuen.
Guten Rat annehmen.
Tun, was man kann!

Herr, gib uns den Mut zur Antwort.
Die Antwort heißt FRIEDE!
Und Friede ist möglich.

Amen.

Meditation nach der Kommunion

Wir beten mit dem heiligen Franz von Assisi >>>

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens:
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.

Herr, lass mich trachten:
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.

Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Amen.