Predigtgedanken 7. Sonntag i. J.

Predigtgedanken

Liebe Buben und Mädchen, meine lieben Schwestern und Brüder! Als Jesus damals durchs Land zog, da waren viele Menschen von ihm begeistert und suchten immer wieder seine Nähe. Denn er hatte tröstende Worte, die aufrichteten, und eine liebenswürdige Art, die anziehend wirkte und Menschen in seine Nähe lockte.

Was jedoch wohl niemand von den Verehrern Jesu vorausahnte, das geschah dann eines Tages. Jesus hält eine bemerkenswerte Rede, die die Menschen doch ziemlich erschrecken lässt. Jeder der Anwesenden wird gespürt haben: Jesu Anforderungen und Erwartungen würden sie nie und nimmer vollbringen können. Zu abgehoben, zu radikal erscheinen sie. In manchen Anwesenden werden etwa solche Gedanken aufgestiegen sein:

Ist es denn nicht schon eine Leistung, wenn ich Gutes, das man mir getan hat, erwidere, oder wenn ich nicht handgreiflich werde denen gegenüber, die mich beschimpfen oder bloßstellen, oder wenn ich es unterlasse, mit einer saftigen Ohrfeige zu antworten, obwohl der andere sich getraut hat, mir unverfroren einen Schlag ins Gesicht zu versetzen?

Die Forderungen Jesu ließen auch darum besonders aufhorchen, weil es im Judentum bereits eine ganze Reihe von Regeln gab, die ein gutes Miteinander förderten. Da gab es zum Beispiel den Grundsatz: Auge um Auge, Zahn um Zahn! Diese Vorschrift war aber nicht ein Aufruf zum Zurückschlagen. Ganz im Gegenteil.

Die Vorschrift forderte nämlich auf, Maß zu halten bei erlittenem Unrecht und schützte vor allem den schwächeren Partner. Wenn jemand zum Beispiel ein Schaf gestohlen hatte, dann durfte der andere nicht Rache nehmen und aus der Position des Stärkeren einen Esel zurückverlangen. Oder war bei Handgreiflichkeiten ein Auge verletzt oder ein Zahn ausgeschlagen worden, dann durfte dem Täter dafür nicht eben mal die Hand abgeschlagen werden. Maßhalten war also das Ziel und Anliegen dieser Bestimmung. Also das genaue Gegenteil von Rache und Vergeltung.
Ebenso gab es Regeln für Menschen, die miteinander verfeindet waren, um die Spannung zwischen ihnen nicht endlos ausufern zu lassen, sondern abzubauen. Schon im Buch Exodus wird zur Barmherzigkeit gegenüber dem persönlichen Feind aufgerufen. Dort heißt es: „Wenn du dem verirrten Rind oder Esel deines Feindes begegnest, dann sollst du ihm das Tier zurückbringen!“ Oder: „Wenn du siehst, wie der Esel deines Feindes unter seiner Last zusammenzubrechen droht, dann schau nicht hämisch zu, sondern leiste Hilfe!“ Ein jeder Jude verstand: diese geforderte Hilfeleistung im Blick auf die Tiere, sie sollte als Chance genutzt werden, Spannungen abzubauen und sich wieder versöhnlich zu begegnen.

Der Aufruf Jesu und seine radikalen Forderungen mögen manche Zuhörer zunächst vielleicht erschreckt haben; aber jeder begriff bei anschließendem und ruhigem Nachdenken das Anliegen, das in den Forderungen Jesu enthalten war, nämlich ein neues, gutes Miteinander der Menschen möglich zu machen.

Jeder soll sich bewusst werden: Das erfahrene Gute mit eigenem Gut-Sein zu erwidern, das ist ein schönes und auch lobenswertes Verhalten. Aber es bleibt im Austausch hängen: „Gibst du mir, dann geb ich dir.“ Einen Schritt weiter zu wirklicher Liebe wollte Jesus die Menschen führen und ein Nachdenken in Gang setzen: Durch welches Verhalten meinerseits würde sich der andere wohl freuen? Wo wir darauf bedacht sind, uns aufmerksam, liebevoll, und wohlwollend dem anderen zuzuwenden, da übersteigen wir das „Gibst du mir, dann geb ich dir.“ Da wird uns sicherlich vieles einfallen, womit wir andere beglücken, ihnen helfen, sie trösten, sie aufrichten und unterstützen können.

Jesus hatte genügend Menschenkenntnis, um zu wissen, dass ein anderer, ein guter Umgang mit den Menschen, die uns Unrecht taten, die besondere Herausforderung an uns ist. Auf Gutes mit Gutem zu reagieren, ist vielleicht nicht besonders schwer; aber auf bitter Erlittenes ein sich Rächen zu unterlassen, das kostet oft ganz viel Kraft.
Jesus schlägt dazu als Hilfe ein Nachdenken über Gott vor. Denn er sagt: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ Gott ist unendlich barmherzig. Von ihm sollen wir uns als seine Ebenbilder berühren lassen. Denn wir selbst erfahren doch ganz persönlich jeden Tag neu Gottes Güte und Barmherzigkeit. Und die Güte Gottes soll uns eben Vorbild sein. Sie wird uns bewegen und helfen, jede Form von Rache-Nehmen zu unterlassen.

Jesus weiß dabei natürlich, dass wir Menschen unsere Grenzen haben. Aber er weiß auch, dass wir ganz oft nicht bis an unsere Grenzen gehen. Uns zu überfordern, das liegt Jesus fern. Aber er will, dass wir es nicht einfach bei der Bewunderung oder bei der Anbetung Gottes belassen. Wir sollen vielmehr Gottes Verhalten übernehmen – so wie dies Jesus auch getan hat. Und wie das in der Praxis möglich ist, hat er am Beispiel der Liebe aufgezeigt. Denn die Krönung der Liebe liegt in der Barmherzigkeit, die auf jede Form von Vergeltung und Rache verzichtet.

Würde Jesus heute vor uns stehen und zu uns sprechen, dann wäre seine Aufforderung an uns wohl die: Überprüfe dich immer wieder einmal, ob du deiner eigenen dir möglichen Liebe nicht zu schnell Grenzen setzt – besonders im Blick auf deine Gegner oder all jene, die dir unsympathisch sind. Könntest du in so manchen Punkten die Liebe nicht vielleicht doch umfassender und weiter leben? Und er würde vielleicht hinzufügen: Verwirkliche dich im Gut-Sein! Denn genau das dient dir am Ende schließlich zu deiner eigenen Freude! Amen.

Meditation nach der Kommunion

Frieden meint Versöhnung >>>

Nicht berechnend sein in der Liebe,
möglichst alles begrüßen, was uns begegnet –
auch das, was uns zunächst fremd erscheint.

Nicht trennen zwischen Freund und Feind,
immer wieder an das Gute im Andern glauben –
und immer neu die Versöhnung suchen.

So ganz und gar im Sinn unseres Vaters,
sein Kind sein – du und ich –
wie alle seine Kinder auf dieser Erde.