Eine Kirche der Zukunft >>>
Ich träumte von einer Kirche,
zu der Menschen aller Rassen und Nationen gehörten,
viele Völker, Priester und Laien,
einfache Menschen und Gebildete –
nicht gegeneinander, sondern miteinander, füreinander.
In ihr waren die Worte “ich”, “er”, “sie”, “ihr”, “die” Fremdworte.
“Du” und “Wir”, das war die Umgangssprache,
so gingen sie miteinander um.
Ich träumte von einer Kirche,
in der sich nicht einer vom anderen bedienen ließ,
sondern wo alle einander dienen wollten.
Da sprachen sie offen,
nicht übereinander, sondern miteinander,
brüderlich, nicht herrlich,
einfach so, weil’s um die Sache Jesu ging.
Ich träumte von einer Kirche,
da überließen sie die Seelsorge nicht nur dem Priester,
da sorgten sich alle mit – alle für alle Menschen.
Ich träumte von einer Kirche,
in der schlug niemand auf den Tisch,
da schlugen alle auf die eigene Brust,
da wuschen sie sich nicht die Köpfe, sondern die Füße,
da war man ein Herz und eine Seele,
Salz, das die Welt genießbar macht,
eine kleine Herde, selbstbewusst und siegesgewiss,
Licht verbreitend in die Dunkelheit der Welt,
weil’s um die Sache Jesu ging.
Und die Sache Jesu, das sei ihre Zukunft – sagten sie.
Ich erwachte – und ich sah eine Kirche,
in der vieles, fast alles, nicht so ist.
Ich verzweifelte, resignierte,
wollte zurück in meine Traumwelt –
da wurde ich belehrt:
“Dein Traum ist alt, 2000 Jahre alt,
aufgeschrieben von Markus und Matthäus,
Lukas und Johannes, Paulus und Petrus,
in vielen Kapiteln und Versen.”
Und ich sah:
Mein Traum stand da geschrieben:
“Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.”
Und ich begriff:
Träume lassen leben,
für Träume lässt’s sich leben.
(W. Schumacher)
Liebe Schwestern und Brüder!
In unserer Diözese wird derzeit viel von der „Pastoral der Zukunft“ gesprochen. Da werden Pastorale Räume umschrieben und das Gebiet, in dem wir unser kirchliches Leben gestalten und organisieren wird größer.
Leitete bisher ein Pfarrer eine Gemeinde, werden es immer mehr Gemeinden, für die er zuständig ist. Hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen lernen, dass der Blick nicht an der Kirch-turmspitze endet. Das kirchliche Leben im Schatten mehrerer Kirchtürme will gesehen und gestaltet werden. Die PGR-Wahlen im kommenden Jahr werden auch schon in Zusammenarbeit mit den Nachbarpfarreien vorbereitet.
Es bewegt sich gerade viel in der „Pastoral der Zukunft“. Und es fordert von uns, von jeder und jedem einzelnen von uns viel ab. Es wird sich vieles ändern. Und doch, wird nicht alles neu. Dieser Text vom „Traum der Kirche“ ist mir schon vor vielen Jahren zugefallen. Und noch immer hat er an Aktualität nicht verloren.
Der Traum der geschwisterlichen Kirche:
Der Traum, dass es in der Kirche kein Oben und Unten gibt, auch wenn schon die Jünger sich damals darüber gestritten haben, wer der Größte unter ihnen sei,
der Traum, dass wir uns unserer Unzulänglichkeiten bewusst sind und im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit um Vergebung bitten können,
der Traum, dass wir alle – ob alt, ob jung, ob Frau, ob Mann, ob Hauptamtlich, ob Ehrenamtlich, ob alteingesessen, ob neu zugezogen,
der Traum, dass wir alle eine Gemeinde Jesu sind,
der Traum, dass Jesu Frohe Botschaft in unserm Tun und Reden lebendig wird – auch heute.
Vor 800 Jahren gab es auch schon einen, der diesen Traum geträumt und gelebt hat: Franziskus von Assisi. Nach einem Leben in Saus und Braus begann er nachzudenken, begann er zu erahnen, was es bedeutet : als Christ dem armen Christus zu folgen.
Er entdeckte, dass er Gott nicht bei den Reichen, den Großen, den Starken findet, sondern bei den Armen, bei den Kleinen, bei den Schwachen – bei denen, die die Hände leer und offen haben, nicht voll und festhaltend.
Er fand Jesus, den menschgewordenen Gott, im kleinen Kind von Betlehem und in dem Leidenden am Kreuz. Er fand ihn in den Menschen, die er Brüder und Schwestern nannte – und denen er selbst zum Bruder wurde. Seine Brudergemeinschaft nannte er den Orden der „fratrum minorum“ – der minderen Brüder.
Für meine Gemeinschaft, den Dillinger Franziskanerinnen, ist dieser Bruder Franziskus ein lebendiges Vorbild. Natürlich ist es nicht immer so einfach, solchem Vorbild nachzueifern. Gott sei Dank hat Franziskus am Ende seine Lebens zu seinen Brüdern und Schwestern gesagt: „Ich habe das meine getan. Was euer ist, möge euch Christus lehren.“
Franziskus sah sich selbst nicht als der große Macher, nicht als der, der genau weiß, wie Nachfolge geht. Er ist seinen Weg gegangen. Und er traut uns allen zu, uns Franziskanerinnen aber auch Ihnen, euch, jedem und jeder einzelnen, die sich von Jesus ansprechen lassen, den persönlichen Weg der Nachfolge zu gehen – offen, bereit und vertrauend wie das Kind, das Jesus in die Mitte stellt. Und dann kann etwas vom Traum lebendig werden. Jetzt, heute und hier. Denn wie heißt es am Ende dieses Traumes:
„Und ich sah: Mein Traum stand da – in der Bibel – geschrieben: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Und ich begriff: Träume lassen leben – für Träume lässt es sich leben!“
– Sr. Isabel Westphalen OSF –