„Ich bin dann mal weg!“ – Predigt am 26./27.06.2011

Wohl viele von Ihnen kennen dieses Buch und manche von Euch haben es wohl auch gelesen. „Ich bin dann mal weg!“ heißt es. In diesem Buch beschreibt Hape Kerkeling ernsthaft und doch gleichzeitig humorvoll seine Erfahrungen auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela in Spanien, den nicht wenige aus unserer Gemeinde auch schon ein Stück weit gegangen sind.

Nicht erst seit diesem Buch ist das Pilgern wieder „in“. Viele Menschen, fromme und weniger fromme, aber sicher allesamt Menschen auf der Suche, machen sich auf den Weg. Auf diesem Weg sind sie angewiesen auf Unterkünfte und Herbergen. Auch wenn vieles auf den Reisen inzwischen bis ins letzte durchgeplant wird, so leben Pilgerinnen und Pilger auch heute noch von der Gastfreundschaft offener Menschen – wie etwa auch der Prophet Elischa in der Lesung oder die Apostel im Evangelium, die Jesus auf den Weg schickt. Schon vor einem halben Jahrhundert hat das der große Romano Guardini einmal so ausgedrückt: „Das ist aller Gastfreundschaft tiefer Sinn: dass einer dem anderen Rast gebe auf dem Weg nach dem ewigen Zuhause.“

„Ich bin dann mal weg!“ Das ist nicht nur der saloppe Titel eines Buches. Das ist zugleich die bittere Erfahrung vieler Gemeinden in unserer Kirche. Natürlich: wir bemühen uns, alle unsere Gottesdienste und auch die vielen Begegnungen in unserer Pfarrgemeinde gut und menschenfreundlich zu gestalten und wir hängen da ganz viel Herzblut hinein. Aber auch wir erleben – wie alle anderen Gemeinden – eben auch dies: Nach Hochzeit und Taufe, Erstkommunion und Firmung sagen viele: „Ich bin dann mal weg!“ beziehungsweise: „Ich bin dann mal wieder weg!“.

Auch die Menschen, die aus sicherlich ganz unterschiedlichen Gründen aus der Kirche austreten – besser müssten wir wohl sagen: aus der Steuergemeinschaft unserer Kirche austreten! – sagen im Stillen: „Ich bin dann mal weg!“ Was bedeutet das nun für uns als Pfarrgemeinde St. Margaretha?
Ich erinnere noch einmal an Guardinis Worte: „Das ist aller Gastfreundschaft tiefer Sinn: dass einer dem anderen Rast gebe auf dem Weg nach dem ewigen Zuhause.“ Wir dürfen also den Menschen, die auf dem Weg durchs Leben sind, Rast geben: in unserer Kirche, in diesem Gotteshaus und in unserer Gemeinde. Wir dürfen und sollen sie aufnehmen, beherbergen, ihnen für eine gewisse Zeit Heimat schenken, ohne sie einsperren zu wollen. Wir dürfen und sollen sie annehmen und aufnehmen, wie sie sind, und nicht, wie wir sie gerne hätten. Das hat viel mit offenen Türen und Fenstern zu tun, vor allem aber auch mit offenen Herzen und offenen Armen.

Auf der Frühjahrskonferenz der Dekane in Himmelspforten hat uns das der Paderborner Pastoraltheologe Christoph Jakobs so ausgedrückt: Neben der alten, gewohnten und in den letzten Jahrzehnten bewährten Pfarreipastoral braucht es immer stärker auch eine neue, eigentlich aber uralte sogenannte Pilgerpastoral, die die Kirche wiederentdecken muss. Dabei meint Jakobs mit „Pilger“ nicht nur die Menschen, die sich auf den Weg nach Lourdes oder Santiago de Compostela machen, sondern alle Menschen, die sich nicht mehr so leicht wie früher in das Leben einer Pfarrei einbinden lassen, aber die dennoch unterwegs sind im Leben, als suchende Menschen, mit einer Sehnsucht im Herzen nach Heimat und nach Freiheit. Dieser neue Weg einer Pilgerpastoral ist kein einfacher Weg, der Weg ist noch gar nicht geebnet. Es braucht Mut und Phantasie, ihn zu gehen. Aber es gilt wie immer: der Weg wird beim Gehen gemacht.

Wir müssen und dürfen es wohl ernst nehmen, dass viele Menschen heute nun einmal das Pilgern und die Freiheit des Pilgerns entdeckt haben. An uns liegt es, Herberge zu schenken und unser Herz – vor allem aber das Brot der Liebe, das wir teilen wollen mit allen Menschen, die unterwegs sind nach dem ewigen Zuhause – so wie wir selbst. Bleiben wir also auf dem Weg und wagen wir immer wieder den Aufbruch – als pilgernde Kirche. – Amen.

Georg Klar
Pfarrer St. Margaretha
Mainaschaff