Hochfest der Geburt Johannes des Täufers – Predigt am 24.06.2012

Liebe Schwestern und Brüder!

Ob das auch für unsere Gemeinde St. Margaretha zutrifft, weiß ich nicht oder ich hoffe es jedenfalls nicht. Aber wer irgendwo sonst etwas voranbringen möchte und nach neuen Ideen sucht, der wird oft bei aller Neugierde der anderen doch auch früher oder später den sogenannten „drei berühmten Bremsen“ begegnen: 1. „Das haben wir noch nie so gemacht!“ 2. „Das haben wir schon immer so gemacht!“ Und 3. „Da könnte ja jeder kommen!“

Inhaltlich eigentlich wenig überzeugend, aber umso lähmender kann man mit diesen drei Bremsen so manch Tüchtigem und Engagiertem das Handwerk legen in unserer Welt, in unserer Gesellschaft und manchmal auch in unserer Kirche. Wohl dem, der sich davon nicht beirren lässt und sich selbst treu bleibt…!

Den Mut zu Neuem wagten auch die Eltern Johannes des Täufers Elisabet und Zacharias, als es um die Namensgebung ihres lang ersehnten Sprösslings ging: „Er soll Johannes heißen…!“ Sofort kommen die Bedenkenträger, die das monieren, was doch gar nicht sein kann: „Es gibt doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt.“ Doch auch der Vater, dem es vor Gott einst die Sprache verschlagen hatte, plädiert für die neue Namenswahl, entgegen aller Familienbräuche.

Johannes – so begann also mit dieser Namensgebung das Leben eines Propheten. „Nomen est omen“ sagt man. In der Tat, nicht nur die Namenswahl stand unter einem besonderen Stern, auch der Träger des Namens entwickelte sich zu einem Querdenker, der nicht so lebte wie die anderen, der die Wüste dem sicheren Dorfleben vorzog, der einfachste Nahrung und Kleidung kannte, der das ansprach, was zwar viele dachten, was sich aber bisher niemand getraute auszusprechen. Johannes der Täufer: ein ech-ter Prophet, der gegen den Strom schwimmt, der ganz und gar unkonventionell der Stimme seines Gewissens folgt und dafür letztlich sogar mit dem Leben bezahlen muss.
Wenn wir heute die Geburt des Täufers feiern, dann auch deshalb, weil schon seine Eltern mit der Namenswahl den Mut bewiesen haben, alte Konventionen und das damals Übliche zu überspringen und sich von anderen nicht gleich ausbremsen zu lassen. Von diesem Mut könnten wir heute nur lernen: nicht alles nachzusprechen, was andere sagen, nicht alles zu glauben, was andere einfach so behaupten, nicht alles hinzunehmen, was andere beschließen, nicht alles zu kopieren, was andere produzieren. Der Mut, gegen den Strom zu schwimmen, kann eine Geistesgabe sein, wenn, ja wenn sie dem Aufbau des Reiches Gottes nützt – wie bei Johannes.

„Nomen es omen.“ Im Alten Testament verband man mit dem Namen auch einen bestimmten Auftrag im Leben. Namen hatten eine Bedeutung – so wie der Name Johannes, übersetzt: „Gott ist gnädig“. Aber obwohl er diesen Namen trägt, wird Johannes in seiner Predigt zunächst eher bewegt sein von dem strengen und richtenden Gott, der erst durch die Umkehr von Menschen gnädig gestimmt wird. Erst allmählich wird er lernen, dass Jesus (dessen Name bedeutet „Gott rettet, Gott hilft“) doch noch einmal ein anderes Lebensprogramm hat als er selbst. Erst durch Jesus wird er wirklich die gnädige, die rettende Seite Gottes kennen lernen.

Wir Menschen brauchen halt etwas länger, oftmals brauchen wir ein ganzes Leben, um nur etwas zu verstehen von der großen Menschenfreundlichkeit Gottes. Für uns als Kirche steckt im Namen des Johannes ein großer Anspruch, nämlich gnädig zu sein mit den Menschen. Was das für uns als Kirche und für uns als Gemeinde bedeutet in unserem Umgang mit den Menschen, das dürfen wir immer wieder konkret zu verstehen suchen.

Ein Beispiel hat uns dieser Tage das Main-Echo beschert mit seinem Artikel über die Initiative von über 200 Priestern und Diakonen aus dem Erzbistum Freiburg, die den Umgang unserer Kirche mit den wiederverheiratet Geschiedenen kritisieren und die öffentlich und damit auch ihrem Bischof gegenüber deutlich erklären, dass sie es in ihren Gemeinden anders handhaben.
Diese Seelsorger, unter ihnen viele ältere Priester, sehen die Not der Menschen vor Ort und sie spüren, welches Leid doch diese unbeugsame Haltung unserer Kirche über so viele Menschen gebracht hat. Sie wollen die wiederheiratet Geschiedenen, die ja oft eine ganz konkrete Verantwortung für ihre neue Familie eingegangen sind, nicht mehr zum Kommunionempfang in eine andere Gemeinde schicken, wie das früher oft üblich war.

Denn das, was Seelsorger, die nicht über ihren Schatten springen konnten, die aber dennoch schon die Not der Menschen sahen, einst aus Barmherzigkeit als eine gute Lösung ansahen, wird heute zu recht von vielen als scheinheilig bezeichnet.

Stattdessen treten die Freiburger Seelsorger für einen offenen und ehrlichen Umgang mit dieser Frage und für eine barmherzige Haltung gegenüber den wiederverheiratet Geschiedenen ein. Erzbischof Zollitsch hat sich bereits mit dieser Initiative getroffen und die Gespräche sollen weitergehen. Wir dürfen sehr gespannt sein, gerade weil wir es in unserer Gemeinde St. Margaretha ja nun genauso halten wie diese Freiburger Seelsorger und wie mit Sicherheit eine große Zahl anderer Seelsorger in unserem Bistum Würzburg. Also: kein Ausschluss mehr von den Sakramenten, sondern Gespräch und Dialog und Barmherzigkeit und vor allem das Bemühen um jeden einzelnen Menschen.

Um es klar zu sagen: Es geht überhaupt nicht darum, den Wert von gelebter Liebe und Treue in Frage zu stellen. Wir dürfen alle unendlich dankbar sein für jede Silberne und Goldene und Diamantene Hochzeit. Aber wir müssen in unserer Kirche eben auch lernen anzuerkennen, dass es das Scheitern gibt. Wollen wir Menschen für dieses Scheitern ein Leben lang bestrafen? Mit Ihnen und Euch zusammen will ich es weiterhin wagen, den Wert jeder gelebten Liebe anzuerkennen und hochzuhalten und doch gleichzeitig jedem Menschen mit Barmherzigkeit zu begegnen, wie es Johannes der Täufer in seinem Namen verkündet. Dann möge Gott einst hoffentlich auch mit uns selbst barmherzig sein. Amen.

Georg Klar
Pfarrer St. Margaretha
Mainaschaff