Büttenpredigt 2020 in St. Margaretha, Mainaschaff

Vom 23.02.2020

Ihr lieben Schwestern, liebe Brüder,
von hinten komm’ ich heuer wieder
herein in dieses Gotteshaus,
wo ihr stets gehet ein und aus.

Vielleicht verwundert meine Kleidung,
ihr kennt mich anders aus der Zeitung,
als Arzt, als Gärtner, Bauarbeiter,
als Menschenfischer, Mönch – ganz heiter

kam ich auch mehrmals schon als Narr,
wie früher das so üblich war,
denn Narren ist’s doch vorenthalten,
uns all’n den Spiegel hinzuhalten.

War öfter schon ein rechter Bengel,
doch heut – komm ich als Friedensengel.
Ihr seht’s mir an, bin leicht lädiert,
mein Heil’genschein ist demoliert,

die Federn, Flügel ganz zerzaust,
bin dennoch zu euch hergesaust.
Als Friedensengel hat man’s schwer:
am Hass der Welt, da leid ich sehr.

Und  dennoch, liebe Schwestern, Brüder,
die Faschingszeit, die herrscht nun wieder.
Auch wenn in Hanau, ganz beklommen,
man dort der Freud‘ das Recht genommen,

so demonstriert man deutschlandweit
in diesen Tagen Heiterkeit.
So kam auch unser Bürgermeister,
der Engler Horst, jawohl, so heißt er,

als Nemo-Fisch beim Gaudiwurm.
Es nützte nichts beim Rathaussturm!
Man fing uns beide, Horst – nun gut.
Dir ein Applaus und frohen Mut…!

Ob Fasching, Fastnacht, Karneval,
dahinter steckt doch allzumal
des Menschen Wunsch, trotz vielem Leiden
das Böse aus der Welt zu treiben.

So haben diese tollen Tage
der Welt ganz Wichtiges zu sagen:
Ihr lieben Christen, hört mir zu!
Auch heut‘ lass ich euch nicht in Ruh.

In Reimen werd’ ich wieder dichten,
um so die Botschaft auszurichten,
die Jesus uns gegeben hat,
damit wir geh’n auf Gottes Pfad.

In Oscheff hier das Jahresthema,
das kennt inzwischen doch ein jeder:
Die „Herzenssache Mainaschaff“,
die weckt uns all aus unserm Schlaf.

Denn wenn das Herz wird hart wie Stein,
dann wird es uns nicht möglich sein,
Gemeinschaft hier am Ort zu leben,
dann wird die Welt von Hass erbeben.

Am Mittwoch haben wir’s gesehen,
welch Dinge können dann geschehen.
Wenn wir nicht wach durchs Leben wandeln,
bestimmen Andre unser Handeln.

Ja, wach zu sein ist Christenpflicht,
dass böse Geister haben nicht
am End‘ die Überhand gewonnen,
und zwischen Fingern uns zerronnen

die Herzlichkeit, Großzügigkeit,
die Toleranz und Menschlichkeit.
Wo Menschen Hass und Feindschaft schüren,
da gilt’s beizeiten sich zu wehren,

da müssen wir zusammenstehen
einander helfen hinzusehen,
dass wir gemeinsam Sorge tragen,
dass keiner muss vor Angst verzagen.

Drum reden wir nicht drum herum –
’ne Wucht, dies Evangelium!
Wir wissen schnell, worum es geht,
und ahnen auch, wie’s um uns steht.

Wir sollen unsre Feinde lieben,
nicht nur die Nächstenliebe üben.
Den Feind zu lieben – ist das möglich?
Ist dies Bemühen nicht vergeblich?

Ist das nicht ein Verrat am Guten,
wenn wie in Hanau Menschen bluten?
Muss man nicht bieten seine Stirn,
wenn da ein Mann mit krankem Hirn

elf Menschen tötet, hasserfüllt,
und wenn die braune Menge brüllt,
dass die Migranten sind selbst schuld?
Das überfordert die Geduld!

Wie viel Verblendung gibt es doch!
Sie gab es immer – jetzt jedoch
ist wieder mal ein Maß erreicht,
dass mir das Herz wird schwer, nicht leicht.

Statt wie in Hanau Tod und Schrecken,
die rechten bösen Geister wecken,
da woll’n wir lieber hier auf Erden
einander doch zum Segen werden.

Doch meint die Feindesliebe auch:
dahinterschaun – ein guter Brauch –
ich frage mich, nun gebt mal acht:
wer hat den Feind zum Feind gemacht?

Wer ist ins Hirn da eingedrungen?
Welch‘ Teufel hat den Mann gezwungen,
so blind und grausam dort zu handeln,
statt menschlich durch die Welt zu wandeln?

Ich glaub‘, der Grund, der liegt viel tiefer,
der liegt im rechten Ungeziefer.
Verzeiht mir dieses harte Wort,
doch muss erlaubt sein hier am Ort,

die Ding‘ beim Namen mal zu nennen
Denn die durch unsere Straßen rennen,
die blind für Mensch und Menschlichkeit,
verlieren die Barmherzigkeit,

und töten dann, erschießen noch
die Mutter und sich selbst – jedoch:
die haben’s letztlich nicht erdacht,
zu Tätern wurden sie gemacht.

Denn hinter jedem Missetäter,
das weiß inzwischen doch ein jeder,
da stehen andre, die verführen
zum Hass durch feige Hintertüren.

Der Till von Mainz, der hatte Recht,
als er am Freitag gar nicht schlecht
bei „Mainz bleibt Mainz“ tut resumieren –
ich darf fast wörtlich ihn zitieren:

„Und wo ich immer mehr erschrecke,
das sind die Reden von Björn Höcke.
Denn wenn ich schließ die Augenlider,
hör ich die alten Nazis wieder.

Wo man Moscheen gar beschießt
und Judenhetze wieder sprießt.
Man wird’s ja wohl noch sagen können,
doch gilt’s die Urheber zu nennen.

Die AFD, Rechtspopulisten,
den Gauland, den Nationalisten,
sein „Vogelschiss“ der gift’ge Mist
von Erfurt und von Hanau ist.“

Dem klugen Wort, dem stimm ich zu,
und füge auch noch selbst hinzu:
Es fängt stets an mit bösen Worten,
die dann an ganz verschied’nen Orten

zu grausam-bösen Taten werden.
So ist das immer hier auf Erden.
Wer Brände legt in Geist und Sinn,
wer daraus zieht für sich Gewinn,

der wird sich wundern dann am Ende,
wie Täter schaffen selbst die Wende
vom Menschsein zur Unmenschlichkeit,
von Toleranz zur Grausamkeit.

Ja, bei der AFD gibt’s Menschen,
die lieber andre ganz ausgrenzen.
Sie schüren Ängste und verführen,
weil sie schon „Überfremdung“ spüren.

Das christlich Abendland zu retten,
sei’n sie gekommen. Doch wetten?
Wenn unsre Kirch‘ mal Hilfe braucht,
dann sind sie ganz schnell abgetaucht.

Die Kirche soll kein Geld bekommen,
drum ruf ich zu all unsern Frommen:
Ihr solltet gut euch überlegen,
wem ihr im März die Stimm‘ wollt geben!

Ich misch bei Wahlen mich nicht ein,
doch dieses offne Wort muss sein!
Die Uhr hat fünf vor zwölf geschlagen,
drum will ich es ganz offen sagen:

Wer wählt die Rechten aus Protest,
um abzustrafen nur den Rest,
der muss ab heut sich überlegen,
wes Geist er da die Hand gegeben.

Wir merken doch, wer mitmarschiert
und welcher Ungeist da regiert.
Intoleranz, Hartherzigkeit
und auch die Fremdenfeindlichkeit,

dem standzuhalten obendrein,
darf man nicht wischi-waschi sein.
Bei Hass und Hetze – mit Verlaub –
da hört die Meinungsfreiheit auf.

Doch Vorsicht, Georg, sag ich mir,
Besonnenheit ist eine Zier.
Denn auch in unsrer Kirche – nein –
da ist nicht alles gut und fein.

Du, Papst Franziskus, Freund und Bruder,
seit sieben Jahr’n bist du am Ruder
des Schiffleins, das sich Kirche nennt.
Du führst es gut und kompetent

durch diese turbulenten Zeiten –
und eines kann man nicht bestreiten:
Du lässt dir auch bei Sturm und Wellen
Humor und Freude nicht vergällen.

Seit du im Amt bist, schwärmst du schon
von deiner Kirchenvision,
und willst in eindrucksvollen Bildern
uns deine Vorstellungen schildern:

So wie ein Lazarett im Feld
siehst du die Kirche in der Welt.
Sie soll die vielen Wunden heilen
und stets das Schicksal derer teilen,

die sich im Lebenskampf verletzen,
soll sich bewusst zu denen setzen,
die krank sind und auf Hilfe hoffen,
ganz einfühlsam und gut und offen.

Gerade diese Offenheit
erwartest du nicht nur im Leid.
Sie muss das Markenzeichen sein
für unsre Kirche allgemein.

Du nennst sie gern ein Haus mit Türen,
die alle in die Freiheit führen.
Die Kirche, die sich das nicht traut,
die hohe Mauern um sich baut,

die liegt – meinst du – gewaltig schief,
erstickt an ihrem eignen Mief.
Natürlich siehst du auch ganz klar:
Da draußen lauert die Gefahr.

Wer auf die Straße geht, riskiert,
dass ihm im Freien was passiert,
dass er dort einen Unfall baut.
Doch dir sei – sagst du oft und laut –

eine verbeulte Kirche lieber,
als eine, die die schweren Schieber
an ihren Toren fest verschließt,
und sich das Leben selbst vermiest.

Den Aufbruch und ganz viel Bewegung
willst du – statt Christen ohne Regung,
die keinen Schritt zum andern wagen,
und nur die böse Welt beklagen.

Franziskus, das tut wirklich gut,
dass du mit Phantasie und Mut
uns neue Kirchenbilder schenkst,
und nicht in alten Bahnen denkst,

dass du ganz frische Worte findest,
verbrauchte Floskeln überwindest.
Doch nun scheint deine Kraft zerrieben.
Wo ist denn nur dein Mut geblieben?

Denn jetzt, dein Amazonas-Schreiben
das blieb doch wirklich sehr bescheiden.
Ja, auch für Päpste scheint es schwer,
den Feind zu lieben, der kommt quer,

wenn Gegenwind weht ins Gesicht.
Ich will nicht, dass dein Mut zerbricht
am Widerstand von Gerhard Müller,
von Rainer Wölki und, noch schlimmer,

von alten Papst, dem Benedikt,
der Bücher auf den Markt nun schickt,
um die Reformen aufzuhalten
dass möglichst alles bleibt beim Alten.

Doch von den übertrieben Frommen
kann keine frohe Botschaft kommen!
Es braucht jetzt Mut, Entschiedenheit,
Veränderung und neue Zeit.

Am Zölibat starr festzuhalten,
an vielem Überkommnen, Alten –
das hilft der Kirche doch nicht viel,
Erneuerung ist unser Ziel.

Drum sei, Franziskus, heut gesagt,
aus Liebe sei mein Wort gewagt:
Mein Wunsch an dich ist: Bleib dir treu!
Denn das ist mir nicht einerlei!

Geh deinen Weg beharrlich weiter,
und suche dir genügend Streiter,
die mutig deinen Traum verfechten –
von einer ehrlichen und echten

und armen Kirche, die sich gern
bewegt auf Spuren ihres Herrn.
Du sollst auch deine Feinde lieben,
doch nirgendwo steht da geschrieben,

dass man zu allem Ja und Amen
zu sagen hat in Gottes Namen.
Vielmehr auf Hoffnung wir jetzt setzen.
Du wirst uns sicher nicht verpetzen,

wenn nun auch wir den Weg gehn weiter,
entschieden und gelassen-heiter,
den Weg der Liebe und der Güte,
die uns beschützt – und Gott verhüte,

dass wir in Ängstlichkeit verfallen.
Wir öffnen unsre Türen allen,
die Freiheit suchen und den Frieden,
den Jesus uns doch all beschieden.

Kein Aug um Aug, kein Zahn für Zahn,
keine Vergeltung – das macht lahm.
Stattdessen wollen wir vergeben,
mit Güte eine Antwort geben.

Drum wenn in diesen Narrentagen
die Menschen helle Freude wagen,
wo oft das Böse diese Welt
so fest in seinen Fängen hält,

dann gibt’s doch Grund für Fröhlichkeit
und noch viel mehr für Menschlichkeit.
Die Freude ist es, die sich regt
und Kirche in die Zukunft trägt.

Das sollten wir den Menschen sagen
in guten wie in bösen Tagen.
Mit einer solchen Zuversicht
heb ich voll Hoffnung das Gesicht,

will mit euch allen fröhlich sein,
als Friedensengel stimm ich ein:
Der Frieden lässt sich nie erzwingen,
doch mit viel Menschlichkeit erringen.

Die Priester, Pfarrer allenthalben
woll’n gern das letzte Wort behalten,
doch ich lad‘ ein, ihr Herrn und Damen,
ruft ihr das letzte Wort! Sagt: „AMEN!“

 Georg Klar, Pfarrer