Von den Schlüsseln zum Himmelreich

Predigt am 20./21.8.2011

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Buben und Mädchen! Wohl jeder von uns hat einen Schlüsselbund in der Hosentasche oder in der Handtasche. Wir tragen alle verschiedene Schlüssel mit uns herum: für die Haustür, für die Wohnung, für das Büro, für das Auto. Und wer seinen Schlüsselbund irgendwo liegen lässt, der gerät meist leicht in Panik, denn Schlüssel sind wertvoll. Auch unsere Kirche wird am Morgen aufgeschlossen und über Nacht zugeschlossen, damit nichts gestohlen wird. Wer die Schlüssel hat, kann aufschließen und zuschließen. In gewisser Weise hat er ein Stück Macht, ein Stück geliehene Macht. Denn immer gibt es jemanden, der einem die Schüssel anvertraut.

Auch im Evangelium dieses Sonntags ist das nicht anders. Denn es ist Jesus, der zu Petrus sagt: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben!“ Aber nicht einfach so, sondern als Auftrag. Denn immer hat die Schlüsselgewalt etwas mit Verantwortung zu tun: Wer darf herein und wer muss draußen bleiben? Wer seiner Verantwortung nicht gerecht wird, wird die Schlüssel hergeben müssen oder sie werden ihm wieder abgenommen.

Die jüngsten Ereignisse in den Ländern des nördlichen Afrika und im nahen Osten mit ihren autokratischen und oft unmenschlichen Systemen zeigen es nur allzu deutlich: wenn die Bürger eines Landes eingesperrt oder auch ausgesperrt werden, werden sie irgendwann auf die Straßen oder auf die Barrikaden gehen. Dies haben auch wir in Deutschland 1989 erlebt. Jene unmenschliche Mauer, die fast auf den tag genau vor 50 Jahren gebaut wurde, sie musste schließlich fallen, weil Menschen auf Dauer nicht akzeptieren, wenn eine Mauer keine Türen hat und wenn die Schlüssel für die Türen von unmenschlichen Machthabern verwaltet werden.

Und was für die Welt gilt, das wird auch für unsere Kirche gelten müssen: Ob Petrus oder Papst Benedikt XVI., ob Bischof, Pfarrer, Diakon, Ordensfrau oder jeder Christ.

Wir sollen und wir dürfen Menschen nicht einsperren, sondern wir sollen ihnen Freiheit gewähren. Und wir dürfen und sollen Menschen nicht aussperren, sondern die Türen offen halten für jeden, der um Einlass bittet. Denn wir sind nicht die Herren, sondern nur die Verwalter der Schlüssel zum Himmelreich.

In all den Irrungen und Wirrungen unserer Kirche, in der langen Kirchengeschichte und bis heute, bei allen Verfehlungen Einzelner und auch noch in ihrer Schuld als ganze Kirche hat Jesus Christus dieser seiner Kirche zugesagt, sie nie zu verlassen und immer bei ihr zu sein, damit sie ihrem Auftrag auch in Zukunft gerecht werden kann: nämlich Zeugin der Liebe Gottes zu sein.

Weil er immer in ihr bleibt, darum können auch wir – bei aller berechtigten Kritik – dieser unserer Kirche und mit ihr den Menschen die Treue halten, wie es die große Gertrud von le Fort in ihren berühmten „Hymnen an die Kirche“ einmal gesagt hat, wenn sie schreibt:

Ich will dich noch lieben,
wo meine Liebe zu dir endet,
Mutter Kirche.
Ich will dich noch wollen,
wo ich dich nicht mehr will.
Denn du bist wie eine blühende Säule
unter lauter totem Schutt.
Du bist wie ein edler Pokal
unter eitlen Scherben.
Du bist das Zeichen des Ew’gen
über dieser Erde.
Du bist meine Kirche.

Amen.

Georg Klar

Pfarrer St. Margaretha
Mainaschaff